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Hölle und Teufel

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Seit der Mensch auf der Erde wandelt, hat er sie verehrt. Sie erschien ihm als der Anfang und das Ende allen Lebens. Er sah, dass alles in einem regelmäßigen Zyklus aus dem Schoß von Mutter Erde hervorgeht, in ihn zurückkehrt und wiedergeboren wird. Sogar in unserem Wort „Materie“ steckt die Erdmutter drin (lat. „mater“ = Mutter).

Die Pflanze keimt, gedeiht, blüht, trägt Früchte und vergeht wieder.
Der Mensch wird geboren, reift heran, bekommt Kinder und stirbt.
Die Sonne geht auf, erreicht ihren Höchststand und geht wieder unter.
Doch was geschieht in der Zwischenzeit vom Tod bis zur Neugeburt?
Was passiert mit dem Samenkorn, das in der Erde ruht?
Was passiert mit dem Menschen, wenn sein Körper begraben ist?
Und was passiert mit der Sonne, wenn sie in die Unterwelt eintaucht?

Nach altgermanischer Vorstellung treten sie alle in den Zuständigkeitsbereich der Unterweltgöttin Hel. Von ihr leiten sich engl. „hell“ und deutsch „Hölle“ ab. Sie hat in verschiedenen Dialekten unterschiedliche Namen: Holle, Hild, Helga, Ella (vgl. frz. „elle“). Auch Ortsnamen verdanken ihren Namen der Hel: Helsinki, Helgoland, Holland, Holstein.

In frühen Vorstellungen war die Hölle eine gebärmutterartige heilige Höhle oder ein heiliger Hügel, worin ein Feuer brannte, mit dem die Seelen der Toten gereinigt und geläutert wurden, bevor sie wiedergeboren wurden.

In Deutschland galt Frau Holles Brunnen als der Mutterschoß aller Kinder dieser Erde. Die Hölle ist also ein unterweltlicher Jungbrunnen.

Germanische Sagen beschreiben Hel auch als einen Feuerberg, und v.a. in Vulkangegenden wird die Totengöttin als Vulkan dargestellt, in dem eine „selige Wonne“ herrscht und es keine Angst gibt, vom Feuer verzehrt zu werden, weil es ein regenerierendes Feuer ist.

In mittelalterlichen Sagen erscheint Hel als Brunhilde („brennende Hel“). So war sie auch die Anführerin der Walküren, der Totenengel, die die Toten nach Walhalla führten und oft in Gestalt von Unterweltswesen wie Raben, Krähen und Geiern, aber auch von Schwänen auftauchten.

In der griechischen Mythologie entspricht sie der Persephone, dem Totengöttinaspekt der Demeter.

Demeter: meter = mater („Mutter“); de = grch. delta (Dreieck) → Dreifaltige Urmutter

1. Jungfrau: Kore (vgl. engl. „core“=Kern, dtsch. „Korn“), röm. Ceres (vgl. Zerealien), Vegetationsgöttin

2. Mutter: Plutos („Fülle, Reichtum“), Gott der in der Erde ruhenden Schätze, vermännlichte Form der ursprünglichen Fruchtbarkeitsgöttin

3. Alte: Persephone, „Zerstörerin“, Göttin der Unterwelt und der Auferstehung, Gemahlin des Pluton bzw. Hades; ihr Hund Kerberos bewacht das Tor zum Hades (entspricht dem Fenriswolf, dem Bruder der Hel)

Auch die Sonne war natürlich als Wärme-, Licht- und Lebensspenderin ein göttliches Wesen der Verehrung. Sie wird jeden Tag von der Erdmutter neu geboren, um am Abend wieder in den Mutterschoß einzutauchen. Sie tritt dort in ihre schlafende Phase ein, und man bezeichnet sie dann auch als Sol Niger (schwarze Sonne).

Hades heißt „der Unsichtbare“. Es ist der Ort, an dem die Sonne nicht sichtbar ist.

Von Apollon, dem Sonnengott, heißt es, dass er in Gestalt einer Python in der Nacht seine Reisen durch die Unterwelt macht. Python (Typhon) wird als Schlange mit 100 Drachenköpfen dargestellt. Er ist der Sohn von Gaia (Erdgöttin) und Tartaros (Gott des Abgrunds).

Die Schlange taucht hier als Personifikation der Unterwelt auf. Sie ist Symbol für die Lebensenergie (Kundalini) und für die sich ewig erneuernde Kraft (sie häutet sich!).

Hier im Reich der Nacht und des Todes, im Zustand des Schlafes wird der Gott an der lebensspendenden Quelle der Tiefe gespeist.

Auch die Ägypter kannten die Große Schlange, die den unterirdischen Aspekt des Sonnengottes darstellte. Sie wurde Apophis genannt und war eine Personifikation der Unterwelt, durch die der Sonnengott Ra (oder Re; die Sonnenscheibe stellt sein Auge dar) jede Nacht reiste, um vom Westen in den Osten zurückzukehren.

Der Schlaf oder sein Bruder, der Tod, dienen der Regenerierung, sind also lebensnotwendig. Die Hölle (oder die Unterwelt) ist der Ort, an dem dies geschieht.

Darin drückt sich das dualistische Prinzip aus: Wachen und Schlafen, Tag und Nacht, Einatmen und Ausatmen, Werden und Vergehen, Chaos und Kosmos, Yin und Yang, bilden eine Einheit. Das eine kann ohne das andere nicht sein, und in stetem Wechsel gehen sie ineinander über. Zum Schöpfer gehört ganz unweigerlich auch der Zerstörer; denn sonst wäre der Lebenskreislauf unterbrochen.

Engl. „devil“ (Teufel) und „divinity“ (Göttlichkeit) gehen auf eine gemeinsame indoeuropäische Wurzel zurück: deva, devi (Gott/Göttin).

Die Bibel beschreibt den Anfang der Welt mit „wüst und leer“ (hebr. „Tohuwabohu“). Gemeint ist das Urchaos, aus dem die nächste Welt erschaffen wird.

Im Griechischen wird der Teufel Diábolos genannt (diabállein = durcheinanderwerfen). Er bedeutet demnach: die Kraft, die das Chaos (=Durcheinander) in den Kosmos (=Ordnung) bringt.

Mit der Entstehung patriarchaler Kulturen tritt dann in religiösen Vorstellungen zunehmend das Miteinander in den Hintergrund, während der Aspekt der Gewalt immer deutlicher wird:

Beispielsweise hielten auch die Perser (Zaroastrismus, 600 v. Chr.) Gott und Teufel für Zwillingsbrüder. Ihr Prophet Zarathustra verkündete nach einer Vision seine Lehre von der dualistischen Beschaffenheit der Welt: Die beiden Brüder hießen Ahura Mazda und Angra Mainyu oder auch Ohrmazd und Ahriman, doch sie waren in einem Kampf begriffen, der damit endete, dass Ahriman aus dem Himmel gestürzt wurde. Dadurch wurde er zum Rivalen des Sonnengottes, zum Herrn der Dunkelheit, der jedoch größeren Einfluss auf die Erde hatte als sein Bruder. Dieser herrschte über das Himmelreich, Ahriman aber war der wirkliche Schöpfer der Erde und aller Kreaturen der irdischen, materiellen Welt. Der Streit der beiden hatte übrigens dieselbe Ursache wie der Zwist zwischen Kain und Abel: Das Opfer des einen wurde angenommen, das des anderen zurückgewiesen.

Ahriman wird ebenfalls als Große Schlange dargestellt, und er war auch derjenige, der den ersten Mann und die erste Frau im paradiesischen Garten verführte.

Analog dazu können die arisch-vedischen Brüder Mitra (Licht- und Sonnengott) und Varuna (Herrscher der Nacht) gesehen werden. Sie sind Rivalen, erhalten aber gemeinsam Himmel und Erde.

Der altpersische Ahriman lieferte auch die Basis für den Mythos von Luzifer in Judentum und Christentum:

Luzifer ist die lateinische Bezeichnung für den Morgenstern (Planet Venus), der die tägliche Geburt der Sonne ankündigte (=der „Lichtbringer“). Als Shahar (hebr. = Morgendämmerung) ist er der Zwillingsbruder von Shalim (= Abenddämmerung) und Sohn des El (Sonnengott) und der Ashera (Erdgöttin).

Er war der Engel des Lichts, der schönste aller Engel, die Gott je geschaffen hatte. Doch nach kanaanitischer Legende habe er den Ruhm des Sonnengottes begehrt und versucht, dessen Thron gewaltsam in Besitz zu nehmen: „Und es war Kampf im Himmel; Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen; auch der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte ward nicht mehr im Himmel gefunden. Und der große Drache, die alte Schlange, die Teufel und Satan heißt, der Verführer der ganzen Welt, ward geworfen und auf die Erde geschleudert, und seine Engel wurden mit ihm geworfen.“ (Offb. 12, 7-9)

Jesus verkündet: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.“ (Luk. 10,18)

Und über ihn wird triumphiert: „Ja, hinunter zur Hölle fuhrest du, zur tiefsten Grube.“ (Jes. 14,15)

Bei den Griechen ist es Hephaistos, der aus dem Olymp hinausgeworfen wird. Sein römischer Name ist Volcanus(!), er ist der Gott des Feuers, der Blitze und der Schmiedekunst.

Gemeinsam mit Luzifer hat die jüdisch-christliche Tradition viele alttestamentarische Götter, die früher ebenso verehrt wurden wie Jahwe, in die Hölle verband. Zu den bekanntesten zählen:

Leviathan (Nehuschthan): hebr. „die sich Windende“, feurige Schlange des Blitzes, von der Mose ein Götzenbild anfertigte (2. Kön. 18,4); Seeungeheuer, das Chaos und Zerstörung bringt, Verkörperung des Urozeans (entspricht der Midgardschlange, die die Erdenwelt umschließt, Schwester von Hel)

Beelzebub: Baal-Sebul (=Götterfürst), Orakelgott der Philister, Gott des Stadtstaates Ekron (9 Jh. v. Chr.), wurde zu Baal-Sebub (=Herr der Fliegen), einem Dämon der Verwesung, Anführer der Toten und der Seelen, die in Fliegengestalt nach einer Wiedergeburt suchen. (Mt. 12,24 ff.)

Belial (Beliar): hebr. (grch.) Geist der Dunkelheit, Dämon der Lüge, „der Heillose, Nichtswürdige“ (2. Kor. 6,15)

Die Legende von Luzifer kann in einer sich monotheistisch ausrichtenden Religion als Beseitigung von Konkurrenz angesehen werden. Sie enthält aber auch eine tiefere Bedeutung in Bezug auf den Evolutionsprozess des Menschen.

Hölle: Weltenschoß der Großen Mutter

Blitz: das männliche Himmelsfeuer, das die Göttin befruchtet.

Mit dem Licht trägt Luzifer die Erleuchtung vom Himmel auf die Erde, eine Weisheit, ein neues Bewusstsein. Er besitzt eine Vermittlerfunktion, in der er sowohl dem Hermes und dem Erzengel Michael (beides Engel der Offenbarung) entspricht, als auch der Schlange im Garten Eden.

Die Schlange, das Licht und der Blitz symbolisieren das tiefste kreatürliche Wissen (=die intuitiven Kräfte des Menschen), das den Impuls enthält, über sich selbst hinauszuwachsen.

Die Schlange bot Adam und Eva die Willens- und Wahlfreiheit an (Erkenntnis von Gut und Böse). Das Essen von der Frucht des Baumes war eine Art Initiation, die dem Menschen ermöglichte, Unabhängigkeit vom tierischen Instinkt und ein neues, unterscheidungs- und urteilsfähiges Bewusstsein zu erlangen.

Ebenso wie der griechische Heros Prometeus (=„der Vordenkende“) den Göttern das Feuer stahl und es zu den Menschen trug, so brachte Luzifer das göttliche Wissen auf die Erde, eine neue Bewusstheit, aus der das Ich entstehen konnte, das selbstbewusst denkt und selbstbestimmt handelt.

Gewiss brachte das Licht, das neue Selbstbewusstsein, dem Menschen vollkommen neue Erfahrungen: Macht auf der einen Seite, auf der anderen aber auch eine große Verwirrung (der Diabolus macht seinem Namen alle Ehre), Zweifel, Unsicherheit und Angst. – Schließlich war der Mensch aus der göttlichen Einheit herausgefallen.

Jetzt traten patriarchale Oberhäupter auf die Weltbühne und beanspruchten nicht nur die Macht über die Frauen, sondern auch über die als weiblich empfundene Natur. In Folge wurde die Natur dämonisiert, und die Kraft, die in ihr wirkt, zum Satan (hebr. sátan = nachstellen, verfolgen), zum Feind und Widersacher, der die Menschen fehlleitet. Die Götter, die zuvor ganz wertfrei die ihnen zugedachten Funktionen ausübten, wurden jetzt in Gut und Böse eingeteilt, und ihre Machtkämpfe stellten nicht mehr bloß ein Wechselspiel der Kräfte dar, sondern spiegelten die Gräueltaten der Gläubigen und Nichtgläubigen auf der Erde wider.

Das Heidentum und die Naturreligionen wurden zum Satansdienst erklärt und bekämpft, und deren Götter allesamt in die Hölle verfrachtet. Diese fungierte von nun an nicht mehr als Durchgangsstation, sondern als ein Ort der ewigen Bestrafung. Jetzt fehlte nur noch eine Gestalt, die für die ganzen Sünden verantwortlich gemacht werden konnte, ein Sündenbock sozusagen. Bei den antiken Göttern wurde man dann auch fündig:

Hermes hatte mit einer Nymphe ein Kind gezeugt, doch gleich nach der Geburt wandte sich die Mutter „panisch“ von ihm ab; denn der Kleine hatte einen Eselskopf, Bocksfüße und Hörner und war an seinem Unterleib behaart wie ein Tier.

Hermes wickelte ihn in ein Hasenfell und brachte ihn auf den Olymp, wo die Götter den kleinen Bastard drollig fanden und ihn bei sich aufwachsen ließen. Doch er durfte nicht dort bleiben. So zog er durch die Gebirgswelt Arkadiens, verbreitete mit seiner ungezügelten Triebhaftigkeit Angst und Schrecken und stellte den Nymphen nach. Einmal flüchtete die keusche Nymphe Syrinx vor ihm, doch als sie ihm an einem unüberquerbaren Fluss nicht mehr entkommen konnte, verwandelte sie sich in ein Schilfrohr. Er schnitze sich daraus die nach ihm benannte Panflöte.

Er ist ein Typ, der sich nicht um Moral, Konventionen oder Konsequenzen schert. Er ist der Hedonist, der ganz im Augenblick lebt, um sich seinen Trieben hinzugeben und sich an den sinnlichen Genüssen zu berauschen. Er ist der Enkel von Zeus, der kosmischen Urkraft, und repräsentiert sie auf der irdisch-materiellen Ebene. Er ist Hüter der Naturgewalt, mit der Aufgabe, das Lebensfeuer um jeden Preis zu erhalten. Er ist Pan (röm. Faunus), der seine Ursprünge in Dionysus/Bacchus hat.

So wurde durch die Einverleibung und Umdeutung von Attributen der Naturreligionen das Böse personifiziert: als Untier mit Bocksfüßen und Hörnern. Andere Darstellungen zeigen es als Schlange oder als Bestie mit Krallen und Fledermausflügeln, mit Wolfsgesicht und Rattenschwanz. Es soll nach Pech und Schwefel stinken (vgl. Vulkan!) und einen Dreizack tragen (wie Neptun, Hades und Shiva).

Ein Mythos war geschaffen, der mit derartiger Intensität aufgeblasen wurde, dass er Realitätscharakter gewann.

Jetzt konnten die Religionsväter das As aus dem Ärmel schütteln: Das Konzept der Erlösung. Mit ihm hatten sie ihre Macht etabliert. Sie und ihre Institutionen übernahmen die Rolle des Erlösers, indem sie Gesetze vorgaben, von denen sie behaupteten, sie seien von Gott gegeben und führten bei Hörigkeit und Einhaltung zum Heil. Der heilig gesprochene Thomas von Aquin stellte gar in Aussicht: „Damit der Glückseligkeit der Erlösten im Himmel nichts fehlt, wird ihnen ein freier Blick auf die Qualen der Verdammten gewährt.“ –

Fazit: Als der Mensch zum Feind seiner eigenen Natur wurde, wurde der Teufel zum Gegner Gottes.

Luzifer: Intuition (Stimme des kosmischen Selbst)

Pan: Instinkt (Stimme des irdischen Selbst)

Beide sind verteufelt worden, um den Menschen fremdbestimmt zu machen.

Ziel der Geomantie ist, den Menschen wieder an sich selbst und seine inneren Wahrnehmungen heranzubringen und ihm ein ganzheitliches Weltbild zu vermitteln, das seine kosmischen und irdischen Anteile integriert.

Denn das Weltbild bestimmt nicht nur sein Leben, sondern auch das, was ihm nach dem Tod widerfährt. Schon das Tibetische Totenbuch erklärt negative Sterbe-Erlebnisse als Projektionen des Geistes: Wenn der Sterbende Schuldgefühle hat und glaubt, Rechenschaft ablegen zu müssen, dann konstruiert er seine eigene Bestrafung. Was er bewusst oder unbewusst erwartet, das präsentiert sich ihm in der jenseitigen Welt.

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