Berge gelten als Symbol für Beständigkeit, Ewigkeit, Festigkeit und Ruhe. Sie sind mächtige Erhebungen der Erde, die in den Himmel ragen. In ihrer Form kommen sie einer weiblichen Brust oder einem schwangeren Bauch gleich und repräsentierten daher in urgeschichtlicher Zeit die Große Mutter (Gaia). Aus ihrem Schoß strömten die Flüsse des Lebens hervor, sie beherbergte die Quellen des lebensspendenden Wassers (“Berg” und “gebären” besitzen die gleiche indogermanische Sprachwurzel!) Auch der Himmel (verwandt mit “Himalaja”) wurde nicht als Gewölbe, sondern als ein Berg vorgestellt, den die Sonne vormittags hinauf- und nachmittags hinabstieg (vgl. Stufenpyramiden als Himmelssymbole). Doch nicht nur der Sonnengott ging hier ein und aus, der Himmelsberg war stets Heimat der Götter und von vielen über- und unterirdischen Wesen bewohnt (vgl. Pantheon auf dem Olymp). Er war ein Heiligtum, ein Ort der Verehrung, an dem Kontakt zu den Göttern aufgenommen werden konnte, der Übergang von einer Daseinsebene in die andere stattfand und in dem die Toten einkehrten. Steingräber (Dolmen) und Grabhügel (Tumuli) sind daher als Nachahmung des heiligen Berges zu verstehen.
Zusammenfassend steht der Berg also für Ursprung und Zentrum der Schöpfung, die Sonnenleiter (Himmelsleiter) und das Verbindungsglied zwischen den Welten.
So bekommen Erhebungen – vor allem in einer vorwiegend ebenen Landschaft – eine ganz besondere Bedeutung. Die Berge in Potsdam und Umgebung lassen durch ihre Namensgebung vermuten, welchen Stellenwert sie einst für die hier lebenden Menschen innehatten und welche Qualitäten sich mit ihnen verbanden:
⦁ Die Ravensberge als höchste Erhebung der Stadt und des gesamten Saarmunder Endmoränenbogens (114,2 m) gehen auf den Raben (engl. “raven”) zurück. Als schwarzer Aasfresser ist er Totemtier der Todesgötter, Symbol für die Unterwelt, das Jenseits, Tod und Auferstehung. Der Teufelssee am Fuß des Großen Ravensberges deutet ebenso auf den Jungbrunnen des Unterweltsgottes hin, den Schoß der Totengöttin (Holle), der alle Lebewesen gebiert und wieder zu sich nimmt. Die Sage um den Teufelssee beschreibt sehr eindrücklich den Hergang einer Geisterbeschwörung und -bannung und das abschließende Versenken eines heidnischen Opfersteines (“Teufelsstein”).
⦁ Der Krähenberg ist in ähnlichem Zusammenhang zu sehen. Auch die Krähe gilt als Todesverkünder und Todbringer.
⦁ Der Babelsberg (77,3 m) weist zunächst augenscheinlich auf den Bau des Turmes bzw. Berges zu Babel hin, der den Himmel erreichen sollte. “Ba-Bel” bedeutet Tor Gottes und bezeichnet somit einen Himmelsberg, an dem die Götterwelt zugänglich ist. Früher wurde er jedoch Babertsberg genannt (nach altslawisch “baba” = “Altmutter”), und war demzufolge der Großen Göttin – Freya, Holle – geweiht. Einer Sage zufolge lebte einst ein Volk von Wichteln im Babelsberg, die den Menschen hilfreich zur Seite standen, bevor sie durch Böswilligkeit vertrieben wurden. Ein Nix (Engel des Abgrunds) soll hier Neugeborene entführt und somit vor der Taufe bewahrt haben. Auch ein Lindwurm (Drache aus der Unterwelt) soll hier von einem Bildnis des Erzengels Michael (Himmelsmacht) bezwungen worden sein.
⦁ Der Pannenberg bzw. Panberg (71,3 m) trägt den Namen des grch. Gottes Pan (ein Waldgott, der die Fruchtbarkeit und Kraft der Natur repräsentiert), ist aber auch slawisch abzuleiten (pan=“Herr”). Die Sage vom Panberg berichtet von einer “Unneritschken” (=“Unterirdischen”), die in der Oberwelt mit einem Grafen acht Töchter hatte, diese aber bei ihrer Vermählung mit christlichen Rittern zu sich in die Unterwelt holte und zuletzt das gesamte Grafenschloss im Berg versteinern ließ. Auch vom Panberg soll ein Opferstein im Düsteren Teich versenkt worden sein.
⦁ Der Heineberg bzw. Haineberg deutet auf den Heiligen Hain hin, der – wie die Höhle – Symbol für den Schoß der Großen Mutter und den Wald-, Fruchtbarkeits- und Muttergöttinnen wie Diana/Artemis und Ceres/Demeter geweiht war.
⦁ Der Pfingstberg, auf den die ganze Innenstadt mit ihren Straßenführungen ausgerichtet ist, scheint für die Siedlungsplaner eine besondere Bedeutung gehabt zu haben. Pfingsten deutet hier schon das verbindende Element des Berges an, denn es bezeichnet die Zeit, an dem der Heilige Geist auf die Erde kommt. Bis zum Jahr 1743 hieß der heutige Pfingstberg jedoch Eichberg bzw. Eichenberg. Die Eiche (der heilige Baum der Germanen), die im Ruf steht, Blitze anzuziehen, gilt als Sitz des Blitzgottes – wie Zeus/Jupiter. In Gestalt des Blitzes (Himmelsfeuer) kommt der Gott zur Erde nieder, um den mütterlichen Felsen (Berg) zu befruchten. Der Blitz fungiert also als Himmelsleiter und kennzeichnet den Weg, den die Götter und Geister vom Jenseits zum Diesseits und umgekehrt gehen. Bezeichnenderweise befindet sich südlich am Fuß des Pfingstbergs ein Friedhof.
⦁ Auch das große Wasserbecken auf dem Ruinenberg (73,8 m) legt die Vorstellung nahe, dass das weibliche Element des Wassers/Berges hier die Kraft des männlichen Elementes von Sonne/Himmel auffängt. Einst sollte dieses Wasser sämtliche Fontänen des Parks Sanssouci speisen.
